Steuerschätzung: 1,2 Mrd. Euro Steuereinnahmen für das Steuerjahr 2020 durch Kryptowährungen

Frankfurt School Blockchain Center
13 min readJan 13, 2021

Transaktionen mit Kryptowährungen aus dem Steuerjahr 2020 können zu etwa 1,2 Mrd. Euro Steuereinnahmen führen, aber auch erhebliche Steuerausfälle mit sich bringen. Das vermutete zusätzliche Steueraufkommenspotenzial entspricht etwa 2,0 % des gesamten veranlagten Einkommensteueraufkommens (ca. 63,7 Mrd. Euro) des Kalenderjahres 2019. Dabei hat die Popularität von Kryptowährungen im abgelaufenen Jahr nochmals enorm zugenommen. Wurden Kryptowährungen anfangs nur von IT-affinen Nutzern gehandelt und verwendet, interessieren sich zunehmend börsennotierte Unternehmen, vermögende Privatpersonen, Vermögensverwalter und Regierungen dafür. Allein im Jahr 2020 verdreifachte sich die Marktkapitalisierung von Kryptowährungen, wodurch binnen kürzester Zeit beträchtliche Gewinne auf Seiten der Anleger realisiert werden konnten.

In Zeiten von Covid-19 hat sich die Bedeutung bargeldloser Zahlungsformen in rasanter Weise gezeigt. Aufgrund sich ebenfalls bereits abzeichnenden Inflationstendenzen könnte die immense Bedeutung von Kryptowährungen als Wertspeicher weiter wachsen. Wie steht es in solch unruhigen Zeiten um die Würdigung der Kryptowährungen in Gesetz und Rechtsprechung? Und wie hoch ist das Potenzial des damit einhergehenden Steueraufkommens, das daraus generiert werden kann?Autoren: Florian Wimmer, Philipp Sandner, Stefan Schmitt, Joerg Andres.

Einleitung

Im Jahr 2017 erlebten Kryptowährungen einen unerwarteten Höhenflug und im Jahr darauf einen massiven Absturz. Im Juni 2019 kündigte Facebook das blockchain-basierte Zahlungsystem Libra (inzwischen Diem) an. Spätestens seit dieser Zeit sind Kryptowährungen im Bewusstsein des Mainstreams angekommen. Im Jahr 2020 beschäftigten sich zunehmend mehr namhafte Unternehmen und Privatpersonen mit Investitionen in Blockchain und Kryptowährungen, Zentralbanken mit digitalem Geld auf Blockchainbasis und die Europäische Kommission mit der erstmaligen Schaffung eines rechtlichen Rahmenwerks. Auch im bundesdeutschen Kreditwesengesetz (KWG) haben sogenannte Kryptowerte erstmals Eingang in die Regulierung gefunden, während der Steuergesetzgeber jedoch noch abwartet. An kaum einer anderen Stelle wird das Aufeinandertreffen von analoger Verwaltung und digitaler Zukunft augenscheinlicher — zum Nachteil des Wirtschaftsstandorts Deutschland.

Seit dem 1. Januar 2020 hat sich die Marktkapitalisierung aller Kryptowährungen mehr als verdreifacht, von anfangs 171 auf 627 Mrd. Euro Ende des Jahres 2020 (Stand 31.12.2020, CoinMarketCap; Umrechnung entsprechend historischer Wechselkurse). Aufgrund dieser Entwicklungen haben sich das Frankfurt School Blockchain Center, Blockpit und die DR. ANDRES Rechtsanwaltsgesellschaft mbH entschlossen, eine zweite Auflage der steuerrechtlichen Würdigung und Schätzung eines daraus resultierenden möglichen Steueraufkommens ergebnisoffen zu publizieren.

Steuerrechtliche Einordnung und steuerstrafrechtliche Risiken im Rahmen der Veranlagung

Nachdem sich der Europäische Gerichtshof (EuGH) im Urteil “Hedqvist” [1] lediglich zur Umsatzsteuerfreiheit von Geschäften mit Bitcoins geäußert hat, besteht innerhalb der Bundesrepublik Deutschland spätestens seit der Entscheidung des Finanzgerichts Nürnberg vom 08.04.2020 teils eine spürbare Unsicherheit über die zutreffende steuerliche Behandlung von Gewinnen aus Kryptowährungen. [2] Die Entscheidung konstatiert, dass die ertragsteuerliche Behandlung der Besteuerung von Kryptowährungen weder im Gesetz geregelt, noch von höchstrichterlicher Stelle einmal zweifelsfrei eingeordnet worden ist. Die daraus resultierenden steuerstrafrechtlichen Konsequenzen werden offengelassen.

Somit besteht bis heute keine abschließende rechtliche Qualifizierung blockchain-basierter Assets für Zwecke der Ertragsbesteuerung, wodurch für viele Steuerpflichtige — insbesondere private Investoren — signifikante Unsicherheiten und Risiken entstehen. Einschlägige Literatur, die von der Finanzverwaltung ins Feld geführt wird, basiert nahezu ausschließlich auf den Antwortschreiben des Bundesfinanzministeriums (BMF) an den damaligen FDP-Bundestagsabgeordneten Frank Schäffler aus dem Jahre 2013, wonach Bitcoins als eigenständige Wirtschaftsgüter zu klassifizieren seien. [3] Anstelle eines erforderlichen Gesetzentwurfs zu einer klarstellenden gesetzlichen Regelung im Einkommensteuergesetz hat die Bundesregierung auf eine weitere Kleine Anfrage von Frank Schäffler im Juni 2019 verlauten lassen, dass „die Erörterung darüber (..) innerhalb der Bundesregierung noch nicht abgeschlossen“ sei. [4] Nunmehr sieht sie gar keinen Anlass mehr hier tätig zu werden. [5]

Folglich, so die wohl noch immer herrschende Meinung, sollen auch alle anderen „digitalen Assets” ohne weitere Differenzierung durch die Bank gleich behandelt werden. In Anbetracht von derzeit mehr als 8.200 bekannten — und zahlreichen weiteren unbekannten — Kryptowährungen und deren teilweise höchst unterschiedlichen Ausgestaltung erscheint diese unausgewogene Auffassung vor dem Hintergrund des Nürnberger Richterspruchs zumindest äußerst antiquiert und fraglich, wenn nicht gar riskant. Andere Beispiele für private Wirtschaftsgüter sind z.B. Edelmetalle, Antiquitäten oder Immobilien, wobei an diesen — im Gegensatz zu Kryptowährungen — beispielsweise zweifellos Eigentum begründet und dieses zweifelsfrei auch übertragen werden kann.

Anders bei Kryptowährungen. Folgt man dennoch der wenig unterscheidungskräftigen wohl noch herrschenden Meinung, unterliegen digitale Tokens — wenn sie denn steuerpflichtig sind und sich im persönlichen Besitz befinden — dem jeweiligen individuellen progressiven Steuersatz des betreffenden Steuerpflichtigen. Der dafür bemühte § 23 des Einkommensteuergesetzes (EStG) sieht ferner eine einjährige Spekulationsfrist vor, nach deren Ablauf Gewinne steuerfrei sind. Allerdings birgt diese Einordnung Risikopotenzial, denn die steuerpflichtigen Einkünfte müssen eigenständig durch den Steuerpflichtigen ermittelt und in der Steuererklärung offengelegt werden, ohne dass bislang bekannt ist, in welcher Form dies konkret zu erfolgen hat. [6] Da davon auszugehen ist, dass die Mehrheit der zumeist jungen IT-affinen Privatanleger nicht über fundierte Kenntnisse im Steuerrecht verfügt und auch die Finanzverwaltung auf denkbar unsicherer Gesetzesgrundlagen agieren muss, besteht für Anleger das latente Risiko durch Untätigkeit ungewollt vermeintlich steuerstrafrechtlich relevante Tatbestände zu verwirklichen. [7] Aufgrund der enormen Kurssteigerungen in 2020 sind hinsichtlich des Steuerstrafrechts schnell „signifikante“ Beträge erreicht, die aus Sicht der Finanzverwaltung nicht nur Geldstrafen, sondern sogar Freiheitsstrafen rechtfertigen könnten.

Gesetzgeberischer Regelungsbedarf zur evidenten Einordnung

Betrachtet man die Diversität der inzwischen unzähligen kryptografischen Tokens wird schnell klar, dass eine pauschale Subsumierung unter § 23 EStG zu keinem befriedigenden Ergebnis führen kann. Die den Tokens zugrundeliegenden Geschäftsmodelle reichen von Investitionsgemeinschaften bis zu Lizenzierungsmodellen für Softwaredienstleistungen. Wenngleich für verschiedene Ausgestaltungsformen vermeintlich korrespondierende Besteuerungskonzepte im deutschen Steuerrecht existieren, fehlt es nach wie vor an einer initialen gesetzlichen Einordnung der Kryptowährungen. Das neue blockchain-basierte Transaktionsmedium stellt aufgrund dessen Dezentralität neue Anforderungen an insoweit veraltete Steuervorschriften, die nur bedingt durch die Rechtsprechung ausgefüllt werden können. Was fehlt und nach wie vor dringend benötigt wird, ist ein nachvollziehbares Rahmenwerk zur Einordnung der verschiedenen Tokens auf Grundlage des weiter zu entwickelnden bestehenden Regelungsapparats, so wie es bereits im Fall der sogenannten Kryptowerte im KWG zum 01.01.2020 in einem ersten Schritt erfolgte.

Methodik der Einschätzung des Steueraufkommenspotenzials

Die Einschätzung des Steueraufkommenspotenzials gestaltet sich herausfordernd, da die Datenlage in diesem Bereich ungenügend ist. Zur Annäherung an die tatsächliche Höhe des Steueraufkommens durch Kryptowährungen werden zwei Verfahren verwendet: Eine heuristische Einschätzung beruhend auf weit verbreitenden Annahmen und Zahlen sowie eine datengestützte Analyse auf Grundlage der bereinigten, anonymen Nutzerdaten von Blockpit. Keines der Verfahren ermöglicht eine endgültige Feststellung des Steueraufkommenspotenzials, jedoch gleichwohl eine fundierte Annäherung.

Heuristische Schätzung des Steueraufkommens

Hinsichtlich der aktuellen Rechtslage zu dieser Thematik ist fraglich, ob es sich bei Kryptowährungen tatsächlich durchgängig um andere Wirtschaftsgüter i.S.d. § 23 EStG handeln kann oder ob hier zur Annahme einer Steuerbarkeit zunächst ein Tätigwerden des Gesetzgebers zu fordern ist. Eine zwingende Verknüpfung zwischen unklarer Gesetzeslage und dennoch angeblich vorliegender Steuerhinterziehung kann insoweit derzeit jedenfalls kaum gerechtfertigt werden.

Mangels Vorliegens verlässlicher statistischer Erhebungen zur deutschen Nutzeranzahl und deren konkreter Besteuerung im Bereich der Kryptowährungen kann ein „ordnungsgemäßer Vollzug“ derzeit nicht nachgewiesen werden. Zugleich ist dadurch offen, ob ggf. ein sogenanntes strukturelles Vollzugsdefizit besteht, das eine Nichtbesteuerung rechtfertigen würde. Anhand der Anzahl registrierter Nutzer einschlägiger Tauschbörsen und dem anteiligen Aufkommen des Internet-Traffics in Deutschland kann die aktuelle Zahl der Kryptoanleger derzeit konservativ in Deutschland auf ca. 600.000 bis 700.000 geschätzt werden. [8] Hinzu kommt, dass die bereits zum Jahreswechsel 2017/2018 hohe Nutzerbasis gerade zum Jahresende 2020 noch einen weiteren rasanten Zuwachs erfahren haben dürfte. Folglich könnte binnen kürzester Zeit durch Aktivitäten mit Kryptowährungen zusätzliches Steuersubstrat in beachtlicher Höhe entstanden sein, denn unabhängig von fehlenden lex specialis Regelungen bestimmter Einkunftsarten sollte die reine Besteuerungswürdigkeit realisierter Gewinne zumindest dann außer Frage stehen, wenn der vermeintliche Wert einer Kryptowährung in Euro oder US-Dollar getauscht wurde. Dies sollte allerdings dann auch im Gesetz einmal niedergelegt werden.

Auf Grundlage des absoluten Anstiegs der Marktkapitalisierung aller Kryptowährungen von ca. 457 Mrd. Euro (1. Januar 2020: 171 Mrd. Euro; 31. Dezember 2020: 628 Mrd. Euro) [9], einem nach Internet-Traffic geschätzten deutschen Anteil von ca. 3,5 % [10] und der konservativen Annahme, dass lediglich 20 % der Wertsteigerung realisierte steuerpflichtige Einkünfte darstellen, ergibt dies eine zusätzliche potenzielle Bemessungsgrundlage in Höhe von rund 3,2 Mrd. Euro. Bei einem durchschnittlichen Ertragsteuersatz von 33 % [11] würde dies 1,05 Mrd. Euro zusätzliche Steuereinnahmen für das Steuerjahr 2020 bedeuten. Dieses zusätzliche Steuereinnahmenpotenzial entspricht etwa 1,7 % des gesamten veranlagten Einkommensteueraufkommens aus 2019.

Datengestützte Schätzung des Steueraufkommens

Neben der Schätzung ausgehend vom gesamten Kryptomarkt, welche auf Deutschland heruntergebrochen wurde, wurde auch in die andere Richtung — also vom einzelnen deutschen Anleger — auf das gesamte deutsche Volumen hochgerechnet. Dazu kamen anonyme und aggregierte Daten von Blockpit zum Einsatz, eines der führenden Unternehmen im deutschsprachigen Raum, das seinen Nutzern Transparenz über ihren Kryptowährungshandel gewährt und ihnen hilft, für die Einkommensteuer relevanten Umsätze entsprechend zu erfassen und auszuweisen.

Die anonymen Daten wurden zur empirischen Einschätzung des möglichen Steueraufkommens verwendet. Der Datensatz beschränkt sich auf aktive Nutzer mit lückenloser Transaktionshistorie und wurde zuerst um die 5 % der größten und der kleinsten Portfolios bereinigt, um statistische Ausreißer zu beseitigen und den durchschnittlichen Nutzer darzustellen. Dieser hält zum Stichtag 31.12.2020 einen Portfoliowert von 32.129 Euro und erzielte im Steuerjahr 2020 potenziell steuerpflichtige Gewinne in Höhe von durchschnittlich 10.836 Euro sowie steuerfreie Gewinne in Höhe von 7.558 Euro. Entsprechend der Annahmen der heuristischen Bewertung ergeben sich bei 650.000 Kryptowährungsbesitzern in Deutschland, von denen der Datengrundlage folgend 55 % aktiv am Handel partizipieren, bei einem Einkommensteuersatz von 33 % zusätzliche Steuerzahlungen in Höhe von 1,28 Mrd. Euro bzw. mehr als 2,0 % des veranlagten Einkommensteueraufkommens aus 2019.

Diskussion der Schätzungsverfahren

Beide Verfahren basieren auf denselben Annahmen bezüglich der Zahl von Kryptowährungsbesitzern und dem durchschnittlichen Einkommensteuersatz, doch sie variieren bei der Herleitung des durchschnittlichen Aufkommens steuerpflichtiger Gewinne. Beim heuristischen Verfahren wird angenommen, dass 20 % der Wertsteigerung der Kryptowährungen zu steuerpflichtigen Gewinnen geführt hat. Die Daten von Blockpit hingegen zeigen, dass die steuerpflichtigen Gewinne etwa einem Drittel des Portfoliowertes entsprechen. Es wird angenommen, dass nur etwas mehr als die Hälfte der Kryptowährungsbesitzer aktiv am Handel partizipiert haben. Die dahinter liegende Ratio ist, dass Nutzer von Blockpit den Service in Anspruch nehmen, da sie zu den aktiven Tradern gehören. Folglich ist davon auszugehen, dass der durchschnittliche Nutzer von Blockpit mehrmals pro Jahr Kryptowährungen handelt und über dem Durchschnitt liegt. Entsprechend der Annahmen ergeben sich zusätzliche Steuereinnahmen durch Kryptowährungen in Höhe von 1,05 Mrd. bis 1,28 Mrd. Euro für das Steuerjahr 2020, im Mittelwert also rund 1,17 Mrd. Euro. Ebenso könnte ein erheblicher Teil aber auch als Steuerausfall zu qualifizieren sein, wenn die Rechtsprechung zum Ergebnis kommen sollte, dass eine ausreichende steuergesetzliche Grundlage fehlt oder ein strukturelles Vollzugsdefizit vorliegt.

Anwendungsproblematiken mangels Informationsbasis

Derzeit besteht weder abschließende Klarheit über die steuerbaren Vorgänge an sich noch über die daran konkret geknüpften jeweiligen Nachweis- oder Feststellungspflichten bis hin zu den steuerstrafrechtlichen Konsequenzen, da selbst die Finanzämter über Existenz und Tragweite bestehender gesetzlicher Vorschriften und deren zutreffende Auslegung in der Praxis teilweise völlig unterschiedliche Erwägungen anstellen. Zum Teil werden etwa Gewinne aus Kryptowährungsgeschäften einerseits besteuert, Verluste andererseits im gleichen Fall aber ohne Begründung nicht anerkannt. Beides kann nicht zugleich richtig sein.

Zudem handeln viele Nutzer digitale Assets auf unterschiedlichen Plattformen, welche gar keine Datenaufbereitung für Steuerzwecke anbieten. Damit ist es für viele Betroffene nur unter erheblichem — auch finanziellem — Aufwand möglich, ihre getätigten Transaktionen für die Finanzbehörden überhaupt aufzubereiten. Auch dann sind „korrekter“ Umfang und konkrete Art der Darstellung über weite Strecken allerdings unbekannt, weil sie nicht geregelt sind. Schließlich ist es auch den Angehörigen steuerberatender Berufe technisch meist nicht möglich, größere Datenmengen so aufzubereiten und zusammenzustellen, dass danach eine sinnvolle Kontrolle durch die Finanzämter erfolgen kann. Reine Off-Chain-Geschäfte sind hier noch gar nicht berücksichtigt.

Lösungsansätze zur Verarbeitung der Informationslage

Wie die vorstehenden Ausführungen zeigen, bietet die Blockchain-Technologie grundsätzlich das Potenzial, die Steuereinnahmenfantasie von Bund und Ländern erheblich zu beflügeln. Ziel sollte es jedoch sein, im ersten Schritt eine nachvollziehbare gesetzliche Grundlage für solche blockchain-basierten Transaktionen zu schaffen, die durch den Übergang von der virtuellen in die reale Welt gekennzeichnet sind. Rein virtuelle Vorgänge sollten von vornherein unberücksichtigt bleiben, da diese ohnehin mit vertretbarem Aufwand kaum dokumentierbar sind und breiten Raum für Missverständnisse und Vermutungen bieten, die weder leicht nachweis- noch widerlegbar sind. Zudem sollten die jeweiligen Mitwirkungspflichten im beiderseitigen Interesse der Steuerpflichtigen und der Finanzverwaltung transparent und verständlich aufgezeigt werden.

Derzeit spiegelt sich auch im Steuer-Dienstleistungssegment die dynamische Entwicklung im Bereich Blockchain wider. So bieten bereits einige IT-affine Rechtsanwalts- und Steuerberatungskanzleien bzw. -gesellschaften wie etwa die DR. ANDRES Rechtsanwaltsgesellschaft mbH spezialisierte Beratungsdienstleistungen für Anleger in Kryptowährungen an, etablierte Fachautoren setzen sich zunehmend mit steuerlichen Detailfragen auseinander und die Finanzrechtsprechung befasst sich mit den bereits aufgetretenen noch immer offenen Rechtsfragen.

Ebenso entstehen Webapplikationen zur Datenverarbeitung und -aufbereitung, welche auch für Steuerzwecke genutzt werden können. Das österreichische Unternehmen Blockpit, welches auch einen Standort in München hat, bietet zuverlässige und einfache Softwarelösungen zur Ermittlung der Besteuerungsgrundlagen digitaler Assets. Nutzer der Plattform blockpit.io können in wenigen Schritten die Transaktionsdaten verschiedenster Quellen (z.B. Wallets und Börsen-Accounts) via API-Schnittstellen importieren und erhalten einen Steuerbericht, welcher dank der von einer „Big Four”-Wirtschaftsprüfungsgesellschaften geprüften Besteuerungslogik bestmöglich dem jeweils aktuell bekannten Rechtsstand entspricht.

Zusammenfassung

Die heterogene Struktur der mehr als 8.200 in Umlauf befindlichen derzeit bekannten Kryptowährungen verunsichert angesichts einer lückenhaften gesetzlichen Besteuerungsgrundlage die Anleger und deren Berater bereits seit Jahren.

Die Regulierungsbemühungen sowohl in Deutschland als auch auf europäischer Ebene durch die Europäische Kommission bedürfen koordinierter Rahmenbedingungen, um Kryptowährungen und kryptografische Tokens auch am Wirtschaftsstandort Deutschland rechtssicher einzuordnen. Dabei sollte ein Weniger aus Sicht der Finanzverwaltung im Ergebnis ein Mehr sein. Ein Versuch sämtliche — auch rein virtuelle — Vorgänge zu besteuern, dürfte dabei zu weit gehen. Eine Beschränkung auf solche Vorgänge, die durch den Übergang von realer zu virtueller Welt — und zurück — gekennzeichnet sind, erscheint aus Gründen der Praktikabilität und Transparenz deutlich sinnvoller.

Das potenzielle Steueraufkommen für das Kalenderjahr 2020 beläuft sich auf schätzungsweise 1,05 bis 1,28 Mrd. Euro zusätzliche Einkommensteuereinnahmen. Der dringende Handlungsbedarf eines sich rasant entwickelnden Kryptomarktes zur steuerrechtlichen Einordnung zumindest der Veräußerungsgewinne und -verluste der Anleger tritt klar zutage.

Nur durch eine einerseits grundlegend vereinfachende, andererseits aber zugleich auch regulierende Anstrengung des Gesetzgebers wird der Staat hier die erforderliche Rechtssicherheit für Steuerpflichtige, Finanzverwaltung und Rechtsprechung schaffen. Zugleich kann er sich dadurch die Steuereinnahmen zuverlässig sichern, die von einer einerseits vorwiegend jungen IT-affinen andererseits vermögenden älteren Klientel von geschätzt insgesamt ca. 650.000 Personen ausgelöst werden. Zumindest der jüngere Teil des steuerpflichtigen Nachwuchses wird ansonsten weiterhin oftmals ohne eigenes Verschulden mehr oder weniger pauschal in die Nähe steuerstrafrechtlich Handelnder gerückt werden. Dies ist deswegen besonders gravierend, weil angesichts fehlender konkreter Regelungen viele dieser Konsequenzen kaum mit hinreichender Sicherheit vermieden werden können. Besonders gefährlich und ärgerlich ist dies in der Praxis dann, wenn die Steuerpflichtigen zwar Angaben zu solchen Einnahmen gegenüber der Finanzverwaltung machen, aufgrund fehlender Dokumentationsmöglichkeiten aber die nachträglich pauschal geforderten Nachweise gar nicht vorlegen können.

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Über die Autoren

Florian Wimmer ist Geschäftsführer der Blockpit GmbH, dem in Europa führenden Softwareentwickler von Steuer- und Anti-Geldwäsche Lösungen für Kryptoassets (www.blockpit.io) und Emittent des ersten Blockchain-basierten Wertpapiers in Österreich. Er ist zudem Gründungs- und Vorstandsmitglied der Digital Asset Association (NPO) sowie Autor und Fachlektor für Kryptosteuern.

Prof. Dr. Philipp Sandner has founded the Frankfurt School Blockchain Center (FSBC). From 2018 to 2021, he was ranked among the “top 30” economists by the Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ), a major newspaper in Germany. He has been a member of the FinTech Council and the Digital Finance Forum of the Federal Ministry of Finance in Germany. He is also on the Board of Directors of FiveT Fintech Fund and Blockchain Founders Group — companies active in the field of blockchain startups. The expertise of Prof. Sandner includes crypto assets such as Bitcoin and Ethereum, decentralized finance (DeFi), the digital euro, tokenization of assets, and digital identity. You can contact him via mail (m@philippsandner.de) via LinkedIn or follow him on Twitter (@philippsandner).

Stefan Schmitt arbeitet als Projektleiter und wissenschaftlicher Mitarbeiter für das Frankfurt School Blockchain Center und ist an dem Projekt BLOCKCHERS beteiligt. Zudem leitet er die Bildungsinitiativen des Forschungszentrums. Des Weiteren arbeitet er für den Node-Infrastruktur-Anbieter Blockdaemon und führt die strategische Erschließung des europäischen Marktes. Sie erreichen Stefan Schmitt über LinkedIn.

Prof. Dr. Joerg Andres ist seit rund 25 Jahren als Rechtsanwalt, Fachanwalt für Steuerrecht und Steuerberater tätig. Er ist Partner und Geschäftsführer der DR. ANDRES Rechtsanwaltsgesellschaft mbH (www.andresrecht.de), Düsseldorf, und zudem als Professor für Wirtschafts-und Steuerrecht an der FOM Hochschule Düsseldorf aktiv. Er ist einer der Pioniere der Internet-Besteuerung in Deutschland, Autor zahlreicher Veröffentlichungen u.a. im digitalen Erb- und Steuerrecht (Steuertsunami Bitcoin 2.0, Münchener Anwaltshandbuch Erbrecht) und betreibt den YouTube-Channel „Andresrecht“.

Referenzen

[1] EuGH, MMR 2015, 12, Rn. 53.

[2] FG Nürnberg, Beschluss vom 08.04.2020, Az.: 3 V 1239/19, DStR 2020, 1243 ff.

[3] BMF, Antwortschreiben an Frank Schäffler MdB vom 07.08.2013 zur schriftlichen Frage Nr. 408 für den Juli 2013, IV C 1 — S 2256/0–01.

[4] Kleine Anfrage der BT-Abgeordneten Frank Schäffler, Christian Dürr und Dr. Florian Toncar, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP sowie die Antworten der Bundesregierung, BT-Drucks. 19/11045 v. 24.06.2019, S. 6 zu Frage 9.

[5] Antwort des Bundesministeriums der Finanzen vom 28.12.2020 an den Präsidenten des Deutschen Bundestages auf eine Kleine Anfrage des Abgeordneten Frank Schäffler u.a. vom 11.12.2020, Antworten auf Fragen Nr. 7 a) und b)

[6] Zu den Mitwirkungspflichten des Steuerpflichtigen gehört insb. die vollständige und wahrheitsgemäße Offenlegung der Besteuerungsgrundlagen (vgl. § 90 Abgabenordnung, AO)

[7] Steuerhinterziehung begeht u.a. derjenige, der die Finanzbehörden pflichtwidrig über steuerlich erhebliche Tatsachen in Unkenntnis lässt und dadurch Steuern verkürzt (vgl. §§ 369 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. 370 Abs. 1 Nr. 1 und 2 AO). Die Rechtsfolgen reichen von Geld- bis zu max. zehn Jahren Freiheitsstrafe.

[8] www.similarweb.com (abgerufen am 05.01.2018); Der deutsche Anteil am Traffic derartiger Tauschbörsen variiert stark. Den größten Anteil hat Deutschland mit 75 % am Traffic der Handelsplattform bitcoin.de. Die Nutzeranzahl kann vereinzelt aus den Geschäftsberichten der Börsenbetreiber entnommen werden.

[9] www.coinmarketcap.com (abgerufen am 31.12.2020).

[10] www.similarweb.com (abgerufen am 05.01.2021); Der deutsche Anteil am Traffic-Aufkommen der höchstgerankten Themenseiten liegt bei ca. 3,5 %.

[11] Der individuelle Steuersatz bei Privatpersonen kann zwischen 0 und 45 % liegen. Betriebliche Investoren unterliegen in der Regel einer Ertragsbesteuerung mit Körperschaft- und Gewerbesteuer von ca. 30 %. Daher wird hier von einem Steuersatz ausgegangen, der nur geringfügig oberhalb der regelmäßigen Ertragsteuerbelastung der Körperschaften liegt.

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